Endlich hast du ihn gefunden.
Den perfekten Spiegel.
Du blickst hinein und siehst deine ganze Herrlichkeit.
Jeden Tag und so oft es geht, sonnst du dich in deinem Spiegelbild.
Doch so leicht kann man dich nicht betrügen.
Wer weiß, ob der Spiegel das Richtige zeigt?
Und was wenn du diesen wundervollen Spiegel verlierst?
Oder er kaputt geht?
Du blickst in den Spiegel.
Doch das Bild der Herrlichkeit mag nicht mehr so recht erscheinen.
Statt dessen erblickst du Angst, Zweifel und Zwang.
Du fragst dich, was mit dem Spiegel passiert ist?
Immer seltener schaust du in den Spiegel.
Du willst nicht sehen, was er dir zeigt.
Und schön langsam wirst du wütend
auf dieses kaputte Teil.
Los! Komm zeig mir, was ich sehen will!
Forderst du von dem Spiegel.
Und warte nur, wenn du nicht lieferst, was ich fordere.
Und auch diesmal zeigt er dir, was du tust.
Das kann doch nicht sein.
Das bist nicht du.
Nein, der Spiegel ist wohl endgültig verrückt geworden.
Und so zerbrichst du ihn.
Vielleicht gibt es ja einen anderen Spiegel?
Einen, der ein besseres Bild liefert.
Diesmal wirst du sorgfältiger wählen.
Und dann hast du ihn gefunden.
Du blickst hinein und erfreust dich an deiner Herrlichkeit.
Jeden Tag und so oft es geht sonnst du dich in deinem Spiegelbild.
Egal, ob du traurig, ängstlich, wütend, oder fröhlich bist,
er zeigt dir deine ganze Pracht.
Du gewöhnst dich an den Anblick.
Und schon bevor du in den Spiegel schaust,
weißt du, was du sehen wirst.
Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen?
Du probierst immer neue Fratzen aus,
um den Spiegel zu einer anderen Reaktion zu bringen.
Vergeblich.
Nein so einen langweiligen Spiegel, kannst du nicht gebrauchen.
Und so wirfst du ihn weg.
Und gehst erneut auf die Suche nach einem perfekten Spiegel.
Endlich hast du ihn gefunden.
Als du hinein siehst, zeigt er dir die Fratze, die du gesucht hast.
Dieser Spiegel scheint zu funktionieren.
Er zeigt dir deine Angst, deinen Zorn und deine Mühsal.
Nur, wo ist deine Herrlichkeit geblieben?
Wieso kannst du sie in diesem Spiegel nicht finden?
Du reißt dich zusammen
und setzt dein letztes müdes Lächeln auf.
Doch mehr als einen glanzloses Schemen dessen,
wer du einmal warst, kannst du nicht erkennen.
Was ist das für eine Welt?
Überall nur kaputte Spiegel!
Hoffnungslosigkeit übermannt dich.
Und so beschließt du nie wieder in einen Spiegel zu schauen …
Text: Sonja Ebner